Die Best Ager gelten allgemein als besonders kaufkräftig, konsumfreudig und qualitätsbewusst. Sie sind 50 und älter, sie haben sich beruflich und privat etabliert, aber sie sind immer noch neugierig und nutzen unternehmungslustig die neu gewonnenen Freiheiten, wenn Haus oder Wohnung abbezahlt und die Kinder aus dem Haus sind. So jedenfalls lauten die gängigen Zielgruppen-Beschreibungen – aber stimmt das wirklich?
In vielen Untersuchungen hat sich concept m eingehend mit der Generation der „Best Ager“ aus den geburtenstarken Jahrgängen beschäftigt. Das Ergebnis: Dringt man etwas tiefer ein und versucht hinter diese schöne Fassade zu blicken, so bröckelt zumindest das idealisierte Bild der „besten Jahre“: Körperliche Veränderungen wie graue Haare, Falten und das Nachlassen der Sehkraft machen sich im Alltag zunehmend bemerkbar und lassen sich nicht mehr verdrängen. Dazu kommen Ereignisse, die den Lebensalltag verändern und an gewohnten Strukturen rütteln, etwa, wenn die Kinder aus dem Haus gehen oder die Pflege der eigenen Eltern geregelt werden muss.
Häufig werden diese Veränderungen in der Realität nicht als positiv angesehen, sondern schaffen erst einmal Verunsicherung. Will man die Best Ager wirksam erreichen, muss man diesen besonderen Lebensabschnitt auch im Kontext kulturpsychologischer Zusammenhänge verstehen.
Eine laufende Generationen-Studie von concept m zeigt, dass die Best Ager diesen Lebensabschnitt nicht unbedingt als den „Besten“ ansehen, auch wenn sich die aktuelle Lebenssituation aus rein materieller Betrachtung so darstellt.
Dies hat vor allem mit dem dominanten „Maximierungskult“ zu tun, der das gesellschaftliche Ideal der letzten Jahrzehnte prägt: Das weit verbreitete Streben nach „Mehr“ im Sinne eines „Höher, Schneller, Weiter, Länger, Schöner“ führte zu einer Vervielfältigung der Lebensmöglichkeiten und Freiheiten.
Aus den einst eher linear verlaufenden Lebensläufe wurden Zick-Zack-Biografien: Stieß man in seinen Beziehungen, Arbeitswelten oder Lebenswelten auf Grenzen, konnte man einfach Partner, Beruf oder Lebensraum wechseln und immer wieder neu anfangen.
Die Welt erschien grenzenlos und alles möglich.
Man richtete sich in einer Lebenswirklichkeit ein, die von ihrem inhärenten Versprechen her der Lebenswelt junger Menschen glich, die gerade mal das Elternhaus verlassen haben. Und entsprechend kleidete und gab man sich auch so „jugendlich“ wie Menschen dieses Alters. Dieser „Jugendkult“ hält bis heute an: Angesehen ist, wer über jugendliche Leistungskraft, Fitness und Schönheit verfügt. Die andere Seite unserer Lebenswirklichkeit, die mit naturgegebenen Grenzen und Vergänglichkeit einhergeht, wird in unserer Gesellschaft weitestgehend verdrängt.
Nun haben jedoch mittlerweile die Baby Boomers ihr „Best Age“ erreicht: Der geburtenstärkste Jahrgang 1964 feierte 2014 seinen 50. Geburtstag. Der Anteil der Menschen in Deutschland, die zunehmend ahnen oder schon feststellen müssen, dass vielleicht doch nicht alles möglich ist, dass man nicht ewig jung bleiben kann, steigt drastisch an.
Viele beginnen, mit allen Mitteln gegen diese Erkenntnis bzw. die sie bestätigenden Phänomene anzukämpfen – nach dem Motto: „Es muss doch möglich sein!“ Die Industrie bietet vorrangig diesem Teil der Zielgruppe Produkte mit den entsprechenden Leistungs- oder Schönheitserhaltungs-Versprechen.
Doch was ist mit dem zunehmenden Teil der „Best Ager“, der sich der Realität stellt und nach Umgangsformen sucht, sich mit den natürlichen Prozessen zu arrangieren?
Hier erklärt sich der Erfolg vieler Produkte vor allem im Kosmetik- und Foodbereich, die sich „Natürlichkeit“ auf die Fahne geschrieben haben: Sie suggerieren implizit eine „Erlaubnis“, den natürlichen „Prozessen“ zu vertrauen und sich auf sie einzulassen. Und stoßen damit auf eine große Sehnsucht nach Entlastung von den herrschenden Ansprüchen an Aussehen und Leistungsfähigkeit.
Doch der Gegentrend zum gesellschaftlichen Ideal des „Jünger, Schöner, Fitter“ ist gerade erst im Entstehen begriffen. Noch fehlt insbesondere für die weibliche Zielgruppe ein attraktives Leit- und Vorbild für einen lebenswerten Umgang mit dem Alter(n), das über das Klischee der „lieben Omi“ hinaus geht und mehr Authentizität und Souveränität vermittelt als das Motiv der „gelifteten Filmdiva“.
Erste Ergebnisse der Generationen-Studie von concept m deuten darauf hin, dass in der Dokumentation einer positiven Annahme der eigenen gewachsenen und gefestigten Identität ein sehr attraktives Potenzial für die weiblichen Best Ager liegt. In der Ausrichtung auf das „individuell Gewordene“ zeigt sich, dass der „Alterungsprozess“ auch positiv als ein Reifungsprozess verstanden werden kann.
Gleichzeitig dürfte die damit verkörperte Haltung auch eine zentrale Orientierungs- und Lebenshilfe für junge Zielgruppen wie die Digital Natives sein, die sich zwar virtuos verwandeln, aber ungern festlegen wollen und so in einer stetigen Identitätssuche rotieren.
Bei Fragen wenden Sie sich bitte gerne an Thomas Ebenfeld (thomas.ebenfeld@test.local).