Interview mit Dirk Ziems, Rochus Winkler und Thomas Ebenfeld
Die Inflation bereitet Konsumenten zurzeit große Sorgen. Warum wirken sich die aktuellen Preissteigerungen so negativ aus?
Dirk Ziems: In der Tat ist die derzeitige Konsumstimmung – vorsichtig ausgedrückt – fragil. Um dies zu verstehen, muss man den Rahmen allerdings etwas größer ziehen. Schon seit Corona kann man von dem sprechen, was der Bundeskanzler dann Jahre später in einem anderen Zusammenhang als Zeitenwende bezeichnet hat. Was aber zeichnet diese Zeitenwende aus? Es ist eine Welt, in der alte Gewissheiten verloren gegangen sind. Sie ist geprägt von einer nervösen Unsicherheit, für die es den Ausdruck VUCA gibt – die Buchstaben stehen für die englischen Begriffe für Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität. Wir sind also schon mit der Pandemie in einer Welt angekommen, in der im Wochentakt alle Sicherheiten infrage gestellt werden.
Und dann kam der Ukraine-Krieg…
Thomas Ebenfeld: In der Tat, dieser Krieg hat das Level an Verunsicherung auf ein Niveau gehoben, wie es zumindest den jüngeren Generationen absolut unvorstellbar erschien. Sie sind regelrecht aus ihrer Komfort-Zone herausgerissen worden.Wie reagieren insbesondere die jüngeren Menschen darauf?
Thomas Ebenfeld: Die Stimmungslage ist brüchig. Wir haben dafür den Begriff lavierte Verunsicherung geprägt. Viele Menschen verdrängen die alltäglichen Bedrohungen der Sicherheit und des Wohlstands und flüchten sich in einen Eskapismus, beispielsweise in ein eskaliertes Freizeitverhalten – jetzt erst recht in Urlaub fahren, jetzt erst recht Party machen, wer weiß wie lange das noch geht? Dann aber gibt es auch eine immer größer werdende Gruppe, die wirtschaftlich von den Preissteigerungen stark betroffen ist, und die deshalb in ihrem gewohnten Lebensstil überraschenderweise Einschränkungen erfährt. Das führt zu einer Spaltung in der Gesellschaft.
Was heißt das konkret?
Rochus Winkler: Es gibt eine Schere, die sich öffnet. Auf der einen Seite Menschen, die sich ohne größere Belastung an die veränderten Bedingungen anpassen können, und auf der anderen Seite Menschen, die für sich das Gefühl haben, sich ohne Hoffnung auf eine Perspektive bis zur Erschöpfung abzurackern. In unserer Forschung haben wir vier Typen definiert, die auf jeweils unterschiedliche Weise mit der Inflation umgehen – erstens die resilienten, die kaum betroffen sind, zweitens die hysterischen, die sehr emotional darauf reagieren, drittens die kalkulierenden, die ganz rational ihr Konsumverhalten an die neuen Bedingungen anpassen, und viertens die überforderten, die keine Chance haben, die Preissteigerungen ohne große Einschränkungen zu verkraften.
Wie kann der Handel in diesem Umfeld die Verbindung zu den Kunden halten?
Dirk Ziems: In den Inflationszeiten wünschen sich die Konsumenten Handel und Marken als beschützende Instanzen. Wenn also Entgegenkommen signalisiert wird – durch besondere Aktionen beispielsweise – schafft das ein Gefühl der Verbundenheit. Wenn hingegen kritische Preisschwellen überschritten werden, kann sehr schnell ein Gefühl des Abgezockt-Werdens entstehen.