Wenig. Es gibt einen Ermüdungseffekt durch das moralisierende Auftreten der Klimaaktivisten. Wir beobachten, dass sie von vielen als verbohrt erlebt werden. Der Klebeprotest wird als infantile, trotziges Verhalten wahrgenommen.
Die Klimadebatte ist im Schatten des Ukraine- Krieges in eine neue Phase eingetreten. Es haben sich Fronten gebildet, die gesellschaftliche Spaltung beim Klimaschutz hat sich vertieft. Auf der einen Seite: die Klimabewegten, die überzeugt sind, dass längst nicht genug für das Klima gemacht wird. Wir beobachten, dass sich hier bei einigen Fatalismus breit macht, nach dem Motto: Die Welt hat keine Zukunft. Auf der anderen Seite steht der Mainstream der Bevölkerung. Der ist durchaus ambivalent zum Thema Klima eingestellt und handelt auch paradox.
Der Mainstream nimmt die drohende Klimakrise durchaus ernst, aber sie sind sehr zögerlich darin, den privaten Konsum und den Lebensstil umzustellen. Viele betreiben nur Feel-good- Klimaschutz: Regional einkaufen, bestimmte Strecken mit dem Fahrrad fahren. Auf der anderen Seite will man sich aber nicht schlecht fühlen, wenn man doch mal eine Kreuzfahrt bucht. Aus dieser Komfortzone entsteht eine Frontstellung gegen Klimaaktivisten. Der Mainstream will sich nicht anfeinden lassen, er will keine Schuldgefühle.
Ja, damals wirkte der Greta-Effekt. Da wurde an den Abendbrottischen übers Klima diskutiert, die Jungen sagten den Alten: ,,Wir finden es total daneben, jetzt noch ein Verbrenner-Auto zu kaufen. Ihr verspielt unsere Zukunft.“ Das waren Konflikte in den Familien. Die Leute fühlten sich aufgerüttelt durch die Klarsichtigkeit der Kinder. Der Klimaschutz wurde zeitweise zu einem gesamtgesellschaftlich verbindenden Anliegen. Doch aktuell driftet das Ganze wieder auseinander.
Nein. Aber die Kommunikationsstrategie der Bewegung ist nicht nachhaltig. Immer nur Alarmismus, Vorwürfe und Verweis auf die ausweglose Situation — damit kriegt man niemanden in Bewegung.
Viele „Normal-Burger“ nehmen den Alarmismus der Klimaaktivisten nicht mehr ernst. Sie finden ihn ermüdend und ziehen sich auf Relativierungen zurück nach dem Motto: ,,Sicher ist an der Klimakrise was dran, aber man kann hoffen, dass es am Ende doch nicht so schlimm kommt.“ Es herrscht dann ein einfacher Machbarkeitsglaube vor, dass kommende Technologien wie Wasserstoff und E-Autos doch dazu beitragen, die Situation in den Griff zu bekommen.
Die Politik hat eine große Mitverantwortung fiir die aktuelle Situation. Die Ampel vermittelt den Leuten nicht den Eindruck, dass die Transformation in geregelten Bahnen verläuft.
Nehmen wir die Heizungsdebatte. Man konnte hier eine Aufbruchsstimmung schaffen nach der Devise: Wir kriegen jetzt alle moderne, effiziente Heizungen. Die Probleme auf dem Weg zur Umstellung nehmen wir ernst, aber auch in Angriff. Aber dadurch, dass auch Teile der Regierung gegen die Umstellung Stimmung machen, bleiben die Burger komplett verunsichert zurück.
Konsequenz: Die FDP wird als Bremser wahrgenommen, die Grünen als naive Gestaltungspartei. Die Konflikte in der Ampel spiegeln die Ambivalenzen in der Bevölkerung eins zu eins wider. So werden sie verstärkt wie unter einem Brennglas.
"Das Problem ist, dass die Bürger bei der Politik ein Führungsvakuum wahrnehmen. Die Ampel ist uneins und löst ihre Konflikte nicht wirklich."
Dirk Ziems
Erst einmal muss man erkennen, dass die Einigkeit beim Thema Klimaschutz von 2018 und 2019 eine bequeme Einigkeit war. Damals hat es noch niemanden etwas gekostet, für das Klima zu sein. Aber jetzt verlangt das Thema den Bürgern etwas ab - auch finanziell. Viele haben auch Sorgen - etwa, dass sie sich das E-Auto oder die Wärmepumpe nicht leisten können.
Jetzt braucht es eine positive Erzählung, ein gemeinsames Ziel. Wir haben das doch in der Energiekrise gesehen: Viele waren bereit, mitzumachen und die Heizung runterzudrehen. Das war eigentlich ein Erfolg. Nur leider wurde der von der Regierung hinterher gar nicht kommuniziert und genutzt.
Von der Ampel würde ich verlangen, dass sie bei diesem Thema einen gemeinsamen Nenner findet. Nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine hat auch Christian Lindner gesagt: »Erneuerbare Energien sind Freiheitsenergien.*
Da konnte man sich darauf einigen, dass massiv ausgebaut wird.
Jetzt aber gibt die Ampel die Richtung nicht mehr klar vor, viele sind verwirrt von den klimapolitischen Widersprüchen: Man soll sich eine Wärmepumpe einbauen, aber es sind nicht genügend Handwerker da. Atomkraftwerke werden abgeschaltet, dafür wird Strom aus Kohle produziert. Man soll ein Elektroauto kaufen, aber im Winter wird das mit Kohlestrom betrieben. Der Normalbürger sieht sich in unlösbaren Dilemmata gefangen.
Das Problem ist, dass die Bürger bei der Politik ein Führungsvakuum wahrnehmen. Die Ampel ist uneins und löst ihre Konflikte nicht wirklich. Oft sind die Koalitionspartner getrieben von den Interessen ihrer Stammwähler und Parteien — Stichwort Grüne und Atomkraft zum Beispiel. Dann werden eigentlich unvermittelbare Standpunkte nur mit Formelkompromissen zusammengebracht. Das merken die Bürger. Das ist eines der größten Probleme dieser Koalition.
Dieses Interview ist zuerst im Tagesspiegel erschienen (https://www.tagesspiegel.de/politik/genervt-von-den-klima-aktivisten-der-mainstream-will-keine-schuldgefuhle-9696725.html)