Rimowa und Louis Vuitton: Der Koffer als Statement

17.10.2016
Dirk Ziems

Die Wirtschaft brummt, aber die politische Lage wird als unsicher und unstabil empfunden – in diesem Spannungsfeld liegen derzeit die Verwendungsmotive von Koffern und Taschen. Aus psychologischer Sicht ist es somit beinahe folgerichtig, dass der Luxusgüterhersteller LVMH für 640 Millionen Euro 80 Prozent der Anteile am Edelkofferproduzenten Rimowa übernehmen wird. Wer die Website des deutschen Traditionsunternehmens besucht, wird stimmungsmäßig zurückversetzt in eine nostalgische Zeit des Jetsets, als Fliegen noch ein Distinktionsmerkmal war und beim Einchecken nicht routinemäßig nach Bomben gesucht wurde. Auf der Website von Louis Vuitton ist davon die Rede, dass der Firmengründer aus Koffern „wahrhafte Schatztruhen“ gemacht habe.

Die Verunsicherung der Konsumenten, in Deutschland beispielhaft auszumachen anhand der Flüchtlingskrise und der durch sie ausgelösten politischen Stimmungsmache, hat dazu geführt, dass feste und wertorientierte Konsumsstile die Oberhand gewinnen – wofür die von der gerippten Metallhaut alter Junkers-Flugzeuge inspirierten Aluschalenkoffer des deutschen Herstellers im Bereich des Reisezubehörs wie kein zweites Produkt stehen.

Der Konsument besinnt sich auf Qualität, auf feste und schützende Materialien, und er ist ansprechbar für Signale, die für Hochwertigkeit stehen. Dies gilt insbesondere, wenn er auf Reisen geht und sein gewohntes, vertrautes Umfeld verlässt. In diesen Momenten kommt der hochwertigen Taschenware die Funktion zu, seinem Träger das Gefühl zu vermitteln, vor den Unbilden des Unbekannten gewappnet zu sein. Außerdem sendet der Qualitätskoffer die Mitteilung aus, dass sein Besitzer sich noch „wahre Werte“ leisten kann und sich im Alltag mit wertvollen Dingen umgibt. Der Koffer als Statussymbol markiert einen Mann oder eine Frau von Welt, der oder die sich zwar weiterhin für den Wandel der Moden interessiert, sich aber nicht mehr rasch und beliebig verführen lässt. Den Wandlungsangeboten der Moderne steht er oder sie tendenziell vorsichtig gegenüber.

Immer noch kennzeichnen hochwertige Taschenwaren Stationen des persönlichen Aufstiegs oder der Reifung. Zur Einschulung, zum Schulabschluss, zum Ende der Ausbildung oder des Studiums, zur Beförderung oder zur Hochzeit werden gerne Taschen verschenkt, die den neuen tatsächlichen Status oder zumindest den ersehnten dokumentieren und betonen. Insofern passt Rimowa perfekt ins Portfolio von LVMH, dessen Markenzeichen die Louis-Vuitton-Tasche ist. Wer mit diesen hochwertigen Behältnissen auf Reisen geht, möchte zeigen, dass er in einer eigenen Liga spielt und sich von der Masse abhebt – es ist, um im Bild des Flugreisenden aus der Rimowa-Werbung zu bleiben, der Versuch, in der harten Ryanair-Wirklichkeit den Jetset-Dünkel beizubehalten.

Dementsprechend nimmt man weniger Rücksicht auf den möglichen Neid anderer, wohl aber auf den Anlass des Auftritts. Das Spektrum der Auftritte, für die Taschen benötigt werden, hat sich auf wenige Kernanlässe verengt (Ausgehen, Shoppen, Kultur, Business). Im Sinne eines stimmigen Gesamtauftritts haben Taschen-Träger das frühere Switchen zwischen verschiedenen Stilen deutlich zurückgefahren. Man glaubt, seinen persönlichen Stil zu kennen und setzt diesen als Maßstab für die Wahl der Taschenware an. Dem freien Spiel mit Farben, Formen, Marken und Material wird durch die eigene, gefestigte modische Linie ein mehr oder minder enger Rahmen gesetzt.

Hochwertige Taschenwaren sollen sich in das Gesamtoutfit einpassen und zum Gelingen öffentlicher Auftritte ebenso beitragen wie zur Steigerung des Selbstwertgefühls. Dieses Prinzip verkörpern sowohl die Koffer aus dem Hause Rimowa wie die Taschen von Louis Vuitton.

Mehr Informationen zu dem Thema erhalten Sie gerne auf Anfrage bei: rochus.winkler@test.local

Dirk Ziems
Dirk Ziems ist Experte für tiefenpsychologisches Marketing und berät auf Basis von Markt-, Medien- und Kulturforschung weltweit Unternehmen und Konzerne in zahlreichen Branchen und Ländern. Als Mitbegründer der Global Research Boutique Concept M und der Marketingberatung Flying Elephant begleitet er Themen wie die Adaption von Erfolgsprodukten in neuen kulturellen Kontexten, das tiefe Verständnis neuer Konsumgenerationen in China und USA, die Transformation der Werbekommunikation in der neuen digitalen Medienwelt oder die Neuorientierung der Brands in Post-Corona-Zeiten. Dirk Ziems ist auch als Gastdozent an verschiedenen Universitäten tätig.
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